Entwicklung

Entwicklung der Mühlen

Neben grundlegenden Erfindungen wie dem Rad und der geschickten Ausnutzung von Naturerscheinungen wie dem Feuer gehört das Mühlenwesen zu den frühesten Errungenschaften der Menschheit. Mühlen zählen zu den ersten Maschinen,deren technische Vervollkommnung gegen Ende des letzten Jahrhunderts auf eine Fülle teils wesentlicher Entwicklungen zurückgeht: Holzbearbeitung, Werkzeugmacherei, paßgenaue Herstellung von Getrieben und Zahnrädern, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Der Ursprung der (Wasser)Mühlen verliert sich im Dunkel der Geschichte, muß jedoch sicher deutlich früher als der Bau der ersten Windmühlen angenommen werden. Diese wurden angeblich in Agypten schon um 1000 v. Chr. beschrieben, was allerdings äußerst fragwürdig ist. Andere Autoren datieren sie erst viel später (947 n. Chr. in Seistan/Persien), zudem als horizontale Mühlen, bei denen sich die Flügel parallel zum Erdboden drehen, im Gegensatz zu den heutigen Windmühlen.

868 n. Chr. wurden Mühlen in England urkundlich erwähnt, die Quellen sind jedoch zweifelhaft. Die ersten verläßlichen Datierungen sind 1180 in der Normandie, 1182 in Lübeck, 1222 in Köln und 1307 in Münster in Westfalen. Es waren dies ausnahmslos Bock windmühlen, manchmal fälschlicherweise auch ‚deutsche‘ Mühlen genannt. Bei diesem Mühlentyp war das gesamte Mühlengebäude auf einem ‚Bock‘ in den Wind drehbar. Das erforderte übrigens nicht unbedingt mehr Kraft, als das Drehen der Kappen von Kappenwindmühlen, da bei diesen die Reibungsfläche größer ist als bei ein-Punktgelagerten Bockwindmühlen. Heutzutage sind die letzteren im nordwestdeutschen Raum selten zu finden, Interessierte seien auf das westfälische Freilichtmuseum in Detmold, das Freilichtmuseum in Cloppenburg und die Mühlenstraße im Kreis Minden-Lübbecke verwiesen.

Etwa zur gleichen Zeit fanden sich im gesamten Mittelmeerraum bereits Turmwindmühlen, die von der Form her den heutigen Windmühlen nicht unähnlich waren, jedoch keine drehbare Kappe besaßen, auch die Flügel waren anders konstruiert. Einige Leser haben die Nachkommen dieser Mühlen vielleicht schon einmal auf Kreta gesehen.

Obwohl die Bockwindmühlen eine konstruktive Meisterleistung darstellten, waren ihre Instabilität insbesondere bei Windböen und die relative räumliche Enge starke Beweg­gründe, nach besseren Lösungen zu suchen. Schon Leonardo da Vinci hatte 1346 eine Steinmühle mit drehbarem Dach skizziert, die ersten nachgewiesenen Exemplare fanden sich jedoch erst 1450 sehr viel weiter nördlich in der Gegend von Zeddani/Geldern in den Niederlanden. Bei diesem Mühlentyp war der geräumige Mühlensockel in (meist achteckiger) Holzverbundbauweise ausgeführt, später gab es auch — je nach Untergrund — gemauerte (Rund)Sockel. Oben auf dem Mühlenturm befand sich die lose aufgesetzte Kappe. Diese enthielt das Getriebe zur Kraftübertragung nach unten zu den Mühlsteinen. Nur die Kappe wurde in den Wind gedreht, ein entscheidender Vorteil, zumal nach dem Auf­kommen von gußeisernen Laufkränzen und Rollen.

Um die Flügel stärkerem Wind auszusetzen, konnten die Mühlentürme mehrere Stockwerke hoch gemauert bzw. gezimmert werden. Dann waren zum Besegeln der Flügel Galerien notwendig: Galeriewindrnühlen bzw., in Anspielung auf die Herkunft, Galerieholländer. In anderen Fällen wurde ein Wall rings um den Mühlenstumpf aufgeschüttet, so auch beim Westhoyeler Wallholländer.

Zwei entwicklungstechnische Zwitter sollen noch erwähnt werden: Der Paltrock, oft umgebaute Bockwindmühlen, bei denen die Seitenwände verstärkt und bis auf den Erdboden heruntergeführt wurden und dort über Laufkatzen und eine Rollenbahn das gesamte Mühlengebäude drehten. Paltrockmühlen waren oft Sägemühlen. Schließlich die Kokermühlen‘ auch Wipp- oder Köcherrnühlen genannt, die ein Mittelding zwischen Bockwindmühlen und Turmwindmühlen mit dreh­barer Kappe darstellen.

Mit den Holländerwindmühlen war zwar ein großer Sprung nach vorn getan, aber das In-den-Wind-Drehen und die wind- gerechte Besegelung waren noch immer reine Knochenarbeit. Skeptiker können sich in Westhoyel gerne davon überzeugen.

 

Englische und schottische Tüftler sorgten für Verbesserungen. Zum einen wurde 1745 die Windrose erfunden, ein klei­nes Windrad mit stark geneigten Rotorblättern, die quer zu den Antriebsflügeln stehen. Wenn diese nicht genau gegen den Wind gerichtet sind, wird die Windrose in Drehung versetzt. Durch eine starke Untersetzung wird die Kappe langsam in den Wind gedreht. In Westhoyel wurde nie eine vollautomatische Windrose eingebaut, sondern nur ein manuell drehbares Gaffelrad.

Die Problematik des Anpassens der Besegelung an den jeweils herrschenden Wind wurde seit 1772 durch den Einbau sogenannter Jalousien umgangen. Dabei wurden die Flügel nicht mehr mit Segeltuch bespannt, sondern mit kleinen Holz- oder Blechlamellen versehen, die quer zur Flügelrute verliefen und durch ein Gestänge mehr oder weniger stark geschlossen werden konnten.

Später wurde die Flügelwelle durchbohrt, so daß durch eine sinnreiche Mechanik alle Jalousieklappen gleichzeitig und während der Drehung der Flügel betätigt werden konnten. Eine weitere Erfindung war die drehzahlabhängige Offnungder Jalousieklappen durch einen einstellbaren Federzug. Ja­lousieflügel wurden teils als wesentliche Neuerung gefeiert, teils — wegen des deutlich höheren Gewichtes — entschieden abgelehnt, in Holland sucht man sie z. B. vergebens. Dagegen wurde der Westhoyeler Wallholländer zumindest für einen bestimmten Zeitraum (wahrscheinlich um die Jahrhundert­wende) und nur am Hausrutenpaar mit Jalousieklappen aus­gestattet (s. Abb. vordere Innenseite).

Windmühlen sind Bauwerke in meist exponierter Lage. Je nach Stellung der Flügel konnte der Windmüller seinen Mahl- gästen mitteilen, ob gearbeitet wurde oder nicht oder ob eine notwendige Reparatur das Vermahlen verhinderte. Auch Familienereignisse wie Hochzeit oder Tod eines Angehörigen wurden durch die Flügelstellung signalisiert, der ‚Kode‘ war dabei landschaftlich unterschiedlich.

Mit Neuerungen wie der Windrose und den Jalousieflügeln waren die Windmühlen auf einem technologischen Höchststand angelangt. So gab es 1882 fast 19.000 aktive Windmühlen im damaligen deutschen Reich.

Diesem Zustand wurde durch das rasche Voranschreiten neuer Techniken (Dampfmaschine, Verbrennungsmotor, Elektrifizierung) rasch der Garaus gemacht. Die meisten Mühlen verfielen, ungeachtet ihrer landschaftsprägenden Wirkung und Bedeutung als technische Kulturdenkmale.

Erst in den letzten Jahrzehnten setzte ein Gesinnungswandel ein, amüsanterweise etwa zusammen mit dem Aufkommen der bis dahin verspotteten (und energietechnisch fraglichen) Windkraftmaschinen.